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Stellungnahme des Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V. zu den Indikatoren für den Notarzteinsatz des Landes Brandenburg (BbgNAIK)

Der kürzlich veröffentlichte Notarztindikationskatalog (NAIK) des Landes Brandenburg wird seitens des DBRD mit erheblicher Sorge betrachtet. Aus fachlicher und berufspolitischer Sicht sehen wir in der aktuellen Fassung des NAIK erhebliche Herausforderungen für eine moderne, effektive und wirtschaftliche Notfallversorgung sowie für die adäquate Nutzung der Kompetenzen des Berufsstandes der Notfallsanitäter.

Die in Abschnitt I des Katalogs beschriebene Systematik hat zur Folge, dass bei jedem Notfalleinsatz ein notarztbesetztes Rettungsmittel entsandt werden soll. Diese pauschale Ausrichtung der Notarztindikation an vermuteter Lebensgefahr oder drohenden Folgeschäden lässt die differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Versorgungsbedarfs vermissen. In Verbindung mit § 3 BbgRettG wird im aktuellen NAIK jeder Notfalleinsatz als potenziell notarztpflichtig definiert. Dabei widerspricht dies dem Wirtschaftlichkeitsgebot i.S.d. § 12 SGB V.

Seit der Einführung des Berufsbilds der Notfallsanitäter im Jahr 2014 besteht bundesweit ein gesetzlich verankerter, erweiterter Kompetenzrahmen für Rettungsfachpersonal in der Notfallrettung. Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter übernehmen auf Grundlage des NotSanG eigenverantwortlich heilkundliche Maßnahmen, einschließlich invasiver und medikamentöser Interventionen, soweit diese notwendig und rechtlich zulässig sind. Dieser Rahmen stellt sicher, dass auch ohne primäre Notarztbeteiligung eine adäquate, leitliniengerechte Versorgung gewährleistet ist.

Der vorliegende NAIK hingegen erschwert die Anwendung dieses Kompetenzprofils erheblich. Er läuft damit Gefahr, die fachliche Eigenständigkeit der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter zu untergraben und ein ressourcenintensives System zu fördern, das dem tatsächlichen medizinischen Bedarf häufig nicht gerecht wird. Zahlreiche Studien und Auswertungen belegen, dass in nur einem Bruchteil der Einsätze mit Notarztbeteiligung eine objektive medizinische Notwendigkeit im Sinne lebensrettender oder ausschließlich ärztlicher Maßnahmen vorliegt*.

Aus Sicht des DBRD ist eine Notarztindikation insbesondere dann gegeben, wenn aus dem Notrufgespräch mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass zeitkritische notärztliche Maßnahmen unmittelbar erforderlich sind und ein zeitlicher Verzug durch nachträgliche Nachforderung mit einem relevanten Risiko für die Patientin oder den Patienten verbunden wäre.
Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter über ein breites Behandlungsspektrum verfügen, das durch geeignete Unterstützung – etwa über Telenotarztsysteme – noch ergänzt werden kann. Eine Primäralarmierung eines Telenotarztes ist nicht erforderlich, da die Anbindung durch das eingesetzte Rettungsmittel bei Bedarf jederzeit möglich ist, ohne dass dadurch eine relevante Verzögerung entsteht.

Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass eine übermäßige Notarztvorhaltung, die nicht am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet ist, den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht entspricht. Entsprechend ist nach § 12 SGB V davon auszugehen, dass Krankenkassen nicht zur Refinanzierung solcher Strukturen verpflichtet sind, sofern diese das Maß des Notwendigen überschreiten.

Der DBRD verweist auf den im Januar 2024 veröffentlichten eigenen Notarztindikationskatalog, der auf einem modernen, patientenzentrierten und bedarfsorientierten Versorgungskonzept basiert. Wir stehen für eine differenzierte, wissenschaftlich fundierte Diskussion zur Verfügung und fordern die Entscheidungsträger auf, die Kompetenz der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter angemessen zu berücksichtigen und eine übermäßige Beanspruchung der Ressourcen zu verhindern.


Lübeck, 03.08.2025

Für den Vorstand, Beirat und Ärztlichen Beirat

Frank Flake
1. Vorsitzender

 

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* Quellen: Wie oft sind Notärzte an der Einsatzstelle erforderlich?

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