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Europäische Schlaganfall-Gesellschaft gegründet

ESO Logo(Heidelberg) Am 16. Dezember wurde die European Stroke Organisation (ESO) gegründet. Die ESO ist durch Zusammenschluss des European Stroke Council (ESC) und der European Stroke Initiative (EUSI) entstanden. Zu den Mitgliedern gehören neben Forschern und Fachgesellschaften auch andere am Thema Schlaganfall Interessierte. Die Ziele bestehen u.a. in der Reduzierung der Schlaganfallhäufigkeit und der Fortschreibung der durch die Vorgängerorganisationen erstellten Leitlinien. Derzeit arbeitet die ESO an der Erstellung einer neuen Leitlinie zur Schlaganfallbehandlung, die im Mai 2008 veröffentlicht werden soll.

Die Situation
Der Schlaganfall steht an Platz drei der Todesursachen in Deutschland und ist zugleich die Ursache Nr. eins für bleibende Behinderungen bzw. Invalidität. Alle drei Minuten ereignet sich dieses Notfallereignis hierzulande und alle neun Minuten verstirbt ein Betroffener, dabei könnte - so Experten - ein Großteil der Schlaganfälle vermieden werden. In der weltweiten Todesursachenstatistik steht der „Stroke" sogar auf Platz zwei.

Zeitnah in die Stroke Unit
Neue Erkenntnisse müssen dringend umgesetzt werden. So wurde beispielsweise 2007 eine Studie (Lancet 2007; 370:1432-1442) veröffentlicht, die zeigte, dass ein Schlaganfall meistens verhindert werden kann, wenn die Patienten nach dem Auftreten einer TIA (transitorisch ischämische Attacke) zeitnah in einer Stroke Unit therapiert werden. So kann das Risiko für das Entstehen eines Schlaganfalls - im Vergleich zu einer verzögerten Behandlung - um 80% gesenkt werden. Dass Patienten mit TIA/Schlaganfall einer Stroke-Unit zugeführt werden müssen, zeigte auch eine große retrospektive Beobachtungsstudie in Italien (PROSIT) mit 11.572 Patienten. Es konnte erneut die Überlegenheit einer Behandlung auf einer Stroke-Unit bei Patienten, die innerhalb von 48 h aufgenommen wurden, bezüglich Mortalität und Behinderung nach 2 Jahren gezeigt werden (Quelle: Nervenarzt 10/2007).

Da die Symptome in den meisten Fällen innerhalb weniger Minuten wieder verschwinden, werden sie oft verharmlost, obwohl eine TIA tatsächlich einen Notfall darstellt. Für die Rettungsdienste bedeutet das: „Time is brain", denn im Gegensatz zum akuten Myokardinfarkt ist ein Erhalt bzw. die Rettung von Hirnsubstanz nur binnen weniger Stunden möglich. Und: die Zahlen werden in den kommenden Jahren zunehmen, denn der Schlaganfall ist vornehmlich eine Erkrankung älterer Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in diesem Zusammenhang sogar schon vor der „kommenden Epidemie des 21. Jahrhunderts" gesprochen (Bonita R., The Coming Epidemic, Lancet 1998; 352 [Supplement 4]).

Auch die 2005-er "Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zur Primär- und Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls" betonten bereits, dass der Schlaganfall wie der Herzinfarkt oder die Lungenembolie als medizinischer Notfall zu behandeln ist. Es wird darauf hingewiesen, dass in der präklinischen Behandlungsphase ist eine sichere Differenzierung zwischen den einzelnen Schlaganfallsubtypen (Ischämie oder Blutung) nicht möglich ist und dass die Mehrheit der Schlaganfallpatienten keine adäquate Therapie erhält, weil sie nicht rasch genug das Krankenhaus erreichen (Barber et al. 2001). Beim Verdacht auf einen Schlaganfall jedes Schweregrades soll der Rettungsdienst, bei schwerem Schlaganfall mit Bewusstseinsstörung der Notarzt gerufen werden (Quelle: Leitlinientext auf www.dgn.org/).

Stroke Angel
Dass die Mitarbeit an Publikationen und Forschungen keine reine Domäne der Ärzteschaft sein muss, beweist das außerordentliche Engagement des Kollegen Uwe Kippnich, der den Preis der deutschen Schlaganfallhilfe erhalten hat. Den Preis erhielt er für seine Arbeit am Stroke Angel Projekt in Bad Neustadt/Saale. Herr Kippnich ist Rettungsassistent und arbeitet dort als Wachleiter. Ein „Schutzengel" rettet Schlaganfall-Betroffenen ihr Leben. Er ist klein und passt in jede Jackentasche. Das System ist denkbar einfach: Via Handy wird ein Minicomputer (PDA) mit dem Computernetzwerk der Klinik verbunden. Die spezielle Software hilft dem Rettungsteam vor Ort, einen Schlaganfall schnell und sicher zu diagnostizieren. Die Patientendaten werden gespeichert und direkt an die neurologische Abteilung der Klinik weitergeleitet. Wenn der Rettungswagen dort ankommt, kann ohne Verzögerungen mit der Behandlung des Patienten begonnen werden. Zeitersparnis: durchschnittlich 30 Minuten. In Bad Neustadt/Saale ist dieser Schutzengel im Rahmen eines Pilotprojekts schon Wirklichkeit.

Neurochirurgische Dekompression 
Eine Analyse aus den drei randomisierten europäischen Studien DECIMAL, DESTINY und HAMLET,  an der von deutscher Seite die Unikliniken Mannheim, Heidelberg und Erlangen beteiligt waren, führt zu dem Ergebnis, dass bestimmte Patienten mit schwerem Schlaganfall davon profitieren, wenn sie zur Behandlung eines Hirnödems eine chirurgische Dekompression erhalten. Konkret gemeint sind Patienten, die das Hirnödem nach einem sehr ausgedehnten Infarkt einer Hirnarterie (A. cerebri media) entwickeln. Die neurochirurgische Dekompression innerhalb von 48 Stunden führte - ermittelt nach einem Jahr - zu einem signifikant besseren neurologischen outcome bzw. zu reduziertem Sterberisiko der Patienten. So starben etwa von den 42 Patienten, die konservativ behandelt wurden, im Lauf des ersten Jahres nach dem Ereignis 71 Prozent, wogegen nur 22 Prozent der 51 Betroffenen verstarben, bei denen die Dekompressions-Operation vorgenommen wurde. Dies würde bedeuten, dass diese Patienten künftig in Kliniken eingewiesen werden müssen, die solche neurochirurgischen Eingriffe vornehmen können. Es bleibt anzuwarten, wie künftige Empfehlungen aussehen. Die Autoren schlussfolgern, dass die Entscheidung zur chirurgischen Dekompression bei jedem Patienten indivuduell erfolgen sollte. (Lancet Neurol 2007; 6: 215-222).

Primär- und Sekundärprophylaxe
Unter Primärprophylaxe versteht man die Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, das Auftreten der Krankheit gar nicht erst zuzulassen. Beispielhaft sei hier die Antikoagulation bei Vorhofflimmern bei bestimmten Patienten genannt. Unter Sekundärprophylaxe versteht man Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Schlaganfalls. Ende 2007 sind die aus dem Jahre 2005 stammenden "Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zur Primär- und Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls" aktualisiert worden. Dies war aufgrund neuer vorliegender Studien erforderlich geworden. Ein kostenloser Download der aktualisierten 2007-er Leitlinie als PDF ist hier möglich.

Weitere Informationen zu dem wichtigen Themenkomplex können Sie auch auf den Seiten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft, der Deutschen Schlaganfallhilfe  und dem Kompetenznetz Schlaganfall bekommen. Auch auf www.dbrd.de werden wir Sie natürlich auf dem laufenden halten.

(SD)

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